Haushaltskonsolidierungsrede des Fraktionsvorsitzenden

Donnerstag 8. März 2012 von Markus Neugebauer

Haushaltskonsolidierung

Lange und arbeitsreiche Wochen liegen hinter uns, angefüllt mit dem Studium von Tabellen, Auswertungen und Sitzungen in den Ausschüssen und Fraktionsklausuren sowie Gesprächen mit den Bürgern. Das Ergebnis der Vorarbeit soll heute in eine Form gegossen werden, nämlich Ratsbeschlüssen, die langfristig zum Ausgleich und der Entschuldung unseres Haushaltes führen.

Die UWG hat sich als erste Ratsfraktion- frühzeitig auch in der Öffentlichkeit- klar dahingehend positioniert, dass die ursprünglich überzogenen Kürzungen in den Sektoren Schule, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Feuerwehren, Kultur und Freibad Goltern nicht mitgetragen werden können und hat dafür von der SPD und Grünen teilweise herbe Kritik geerntet.Letztlich haben aber auch die anderen Ratsfraktionen eingesehen, dass ein radikaler Kahlschlag auf diesen Gebieten kontraproduktiv ist und sich zu moderateren Kürzungen entschlossen, die teilweise mit den Betroffenen gemeinsam erarbeitet wurden. Seitens der UWG wurde nie in Frage gestellt, dass im Sinne zukünftiger Gestaltungsmöglichkeiten eine Entschuldung des Haushaltes notwendig ist, gegenteilige Behauptungen waren und sind schlicht falsch und unbelegbar. Wie dies jetzt alles geschehen soll, bleibt aus UWG- Sicht mit einem leichten Beigeschmack versehen, betrachtet man die erst Ende 2011 nur scheinbar plötzlich auftretende Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung, weil das Land einen Teil der Schulden unter den bekannten Voraussetzungen übernehmen will.

Hier eröffnen sich einige unbeantwortete Fragen.

Führt man sich vor Augen, dass bereits im Dezember 2009 der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund, der Städtetag und Landkreistag sowie das Land Niedersachsen die Einführung des „Zukunftsvertrags“ beschlossen haben, ist die Notwendigkeit der jetzigen Hektik sehr fragwürdig. Manche heute Abend noch zu treffende Entscheidung hätte auch noch länger reifen können. Auch wird die Konsolidierung des Haushalts nicht allein nur deswegen notwendig, weil das Land einen Beitrag leisten will, insofern ist auch der Vorwurf gerechtfertigt, wieso man es zu der Situation der Überschuldung überhaupt hat kommen lassen. Wie würde man verfahren, gäbe es das Angebot des Landes nicht? Weiter verschulden und laufen lassen wie bisher?

Aus welchem Grunde sind Rat und Gemeinde das Thema Entschuldung nicht frühzeitig angegangen?

Traut man dem Bürger nicht zu, die Notwendigkeit des Sparens einzusehen?

Hat man keine kreativen Ideen gehabt, wie man der Misere entkommen könnte, war Passivität und Bequemlichkeit das Gebot der Stunde?

Plötzlich ist es nun möglich, eine Bettensteuer, übrigens von der UWG unter dem Titel „Kulturabgabe“ inhaltsgleich weit vor dem SPD Antrag in die Diskussion eingebracht, anzudenken, die Grund- und Gewerbesteuer zu erhöhen und dem Bürger allerlei Härten zuzumuten. Das hätte bereits vor Jahren geschehen können und müssen und bringt in der jetzigen Häufung die Gefahr mit sich, dass Barsinghausen künftig ein teurer Wirtschafts- und Wohnstandort wird. Auch traut man sich dies alles nur dann zu, wenn der Rat geschlossen hinter diesen Zumutungen steht, damit man es mit seiner Mehrheit hinterher nicht allein gewesen und damit allein verantwortlich ist. Die Ratsparteien und die Stadt Barsinghausen haben das Problem in der Vergangenheit viel zu lange vor sich hergeschoben.    Man mag sich wehleidig beklagen über die unzureichende Finanzausstattung der Kommunen und die gleichzeitige Aufgabenabwälzung des Bundes auf die Kommunen. Wir sollten aber nicht in die Vergeblichkeitsfalle tappen und uns auf unsere Stärken und Chancen besinnen und die Problemstellungen angehen. Wir müssen nämlich dafür sorgen, dass der Wirtschaftsstandort Barsinghausen gefördert wird, um Einnahmen aus der Gewerbe- und der Einkommensteuer zu generieren und die Belastungen für Sozialausgaben zu verringern. Aus den gleichen Gründen ist der Naherholungsstandort Barsinghausen/ Deister zu entwickeln, so dass wir uns insgesamt von der demografischen Entwicklung, dem Bevölkerungsschwund, abkoppeln können. Nur unter den vorgenannten Bedingungen wird Barsinghausen auch für Familien attraktiv sein, nämlich dann, wenn Arbeitsplätze vorhanden sind, das Leben und die Freizeit in der Gemeinde bezahlbar bleibt und für die Betreuung der Kinder und deren Zukunftsperspektiven im Ort gesorgt ist. Wer das hier nicht findet, der zieht weg. Ob unsere gemeinsamen Bemühungen, die Stadt finanziell wieder auf die Beine zu stellen erfolgreich sein werden, wird sich erst in einigen Jahren zeigen, es könnte aber gelingen, auch ohne Landeshilfe, wenn man sich auf seine oben genannten Aufgaben konzentriert. Es dauert dann zwar etwas länger, die Zumutungen wären allerdings geringer. Insofern steht die UWG Fraktion dem abzustimmenden Sparpaket weiterhin skeptisch gegenüber, zumal unvorhergesehene Belastungen für die Gemeinde – wie durch die aktuell anstehende Erhöhung der Bezüge der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes- das zerbrechliche Konstrukt ins Wanken bringen können.

Zur Aufklärung sei gesagt:

Die Landesregierung Niedersachsen verspricht den Kommunen eine Entschuldungshilfe von maximal 75 % ihrer Kredite. D.h. kein Mensch weiß wie hoch die Entschuldung werden wird. Wovon ist die Höhe der Entschuldung abhängig? Die Frage ist schnell beantwortet. An Guthaben werden in zehn Jahren folgende Summen zur Verfügung stehen: jährlich zahlen die Gemeinden und das Land jeweils35 Millionen €. In zehn Jahren sind das 700 Millionen. Auf der anderen Seite sind die Anforderungen. Diese können nur geschätzt werden. Nach meinen Berechnungen werden es vermutlich 60 Gemeinden mit jeweils 50 Millionen € Schulden sein. Ende Februar 2012 haben 26 Kommunen 460 Millionen € zur Entschuldung angemeldet. Niedersachsen hat 1023 Gemeinden und Landkreise. Die Antragsfrist wurde bis zum 31. März 2012 verlängert. Barsinghausens Verschuldung ist mit 41,6 Millionen noch recht niedrig, Goslar hat einen Schuldenberg von 110 Millionen. Ganz vorsichtig gerechnet werden mindestens 3 Milliarden beantragt, andere schätzen bereits 7 Milliarden. Nach meinen Berechnungen bekommt die Stadt Barsinghausen einen Schuldenerlass von 25 %, nach anderen Rechnungen nur noch 10 %. Die Hälfte dieser Summe hat die Stadt auch noch selber eingezahlt. Ein Zukunftsvertrag der Stadt mit dem Land nach §14 a-e des niedersächsischen Finanzausgleichgesetzes würde das strukturelle Defizit der Stadt nicht beseitigen. Das Land würde dafür keine müde Mark zusätzlich herausrücken. Die jährliche Hängepartie mit dem Haushalt, das jährliche Gerangel und Geschacher, wem man mehr streichen kann, wenn er weniger laut schreit, würde noch verstärkt werden. Die Ausübung der Gemeinde Autonomie nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz würde weiterhin an der Selbstamputation der Gemeinde bestehen – so wie es schon heute in erheblicher Weise der Fall ist. Wenn das Land 25 % der Kredite übernehmen würde, was noch sehr zu bezweifeln ist! Realistischer ist eine Entschuldung von ca. 2 bis maximal 4 Millionen € anzunehmen. Dem stünde die freiwillig und leichtfertig eingegangene Verpflichtung gegenüber, natürlich unter dem Druck der Verhältnisse, ab 2016 zehn Jahre lang einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. D.h. die Ausgaben der Stadt wären um mehrere Millionen zu kürzen. Für den Rest der nicht getilgten Kassenkredite und der sonstigen Verschuldung müssen aber weiterhin Zinsen und irgendwann auch Tilgung gezahlt werden. Das strukturelle Defizit des Haushalts bestünde weiter, es wäre jetzt nur noch als Kröte durch die Stadt herunter geschluckt worden. Konkret in der weiteren Vernachlässigung der Infrastruktur und der Drosselung von sozialen, kulturellen und vielen anderen Aktivitäten. Aus einer noch immer lebenswerten Stadt würde dieser Rat mit der Zustimmung zu einem Zukunftsvertrag ein Abrissunternehmen im Auftrag des Landes machen. Der Zukunftsvertrag schreibt die schlechte Vergangenheit in die Gegenwart fort, mit ihm gibt es kein Licht am Ende des Tunnels – der Tunnel würde nur noch länger werden! Barsinghausen befindet sich – wie andere Kommunen- in einer finanziellen Abwärtsspirale, die ihre wesentliche Ursache in einer strukturellen Unterfinanzierung hat und durch Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung nicht aufgefangen werden kann. Wenn die Bundesregierung die Kommunen weiterhin herunter wirtschaftet, zwingt sie den Rat der Stadt noch stärker zu sparen und nimmt der kommunalen Selbstverwaltung ihre Existenzgrundlage! Statt mit einem angeblichen Zukunftsvertrag die Augenwischerei und das Schwarze Peter Spiel mit den Kommunalfinanzen eine Runde weiter zu treiben, fordern wir den Rat der Stadt Barsinghausen auf, seine Mitglieder und seine Fraktionen nicht vor allem Buße für die politischen Sünden ihrer Bundes- und Landesparteikollegen zu tun, sondern endlich eine andere Richtung des politischen Handelns einzuschlagen.

Der Zukunftsvertrag beendet nicht die chronische Unterfinanzierung.

Seit vielen Jahren steigen die Sozialkosten und gleichzeitig sinken die Finanzmittel von Bund und Land. Seit mehr als zehn Jahren senkt der Bund durch neue Steuergesetze die Einnahmen der Kommunen. Ihr Anteil sank auf 12 % der staatlichen Einnahmen. Die Kommunen – also auch Barsinghausen – reduzierten und verschoben die Ausgaben für notwendige Sanierungen und Ausbauten ihrer Infrastruktur (Gebäude, Straßen, Bäder usw.). Ihre Schulden beglichen sie durch eine Folge kurzfristiger Kassenkredite. Diese langfristige Fehlentwicklung wird durch den Zukunftsvertrag nicht gestoppt. Sie bleibt ausgeklammert. Das grundgesetzlich verbriefte Recht der Kommunen auf Selbstverwaltung bleibt ausgehebelt. Ein Abschluss des Entschuldungsvertrag wird Barsinghausen spätestens bei Aufnahme neuer Finanzierungskredite für das Tagesgeschäft einholen. Dann bekommt man praktisch keine solche Kredite mehr. Findet sich eine Bank die doch dazu bereit ist, wird der Zinssatz ein sehr hoher sein! Konsolidierung bedeutet Kreditunwürdigkeit da man keine Sicherheiten mehr geben kann!!

Daher wird die Fraktion der UWG-Barsinghausen dem Gesamtkonzept Haushaltskonsolidierung nicht zustimmen!

Der Dank der UWG Fraktion gilt der Verwaltung der Stadt Barsinghausen, die durch die Ausarbeitung der Sparvorschläge die Grundlagen einer Entscheidungsfindung im Rat geschaffen hat und auch die Bürger mit einbezogen hat.

Dank gilt aber auch den Bürgern selbst, die mit eigenen Ideen die Umsetzung der Haushaltskonsolidierung vorangebracht haben und auch den Ratskolleginnen und -kollegen aller Fraktionen, die angesichts des Zeitdrucks gezwungenermaßen zusammenarbeiten mussten.

Ob der Druck allerdings einen Diamanten formte, wird sich noch zeigen.

V.i.S.d.P.

Markus Neugebauer, Fraktionsvorsitzender UWG

Oliver Reich, Pressesprecher UWG

Hans-Wolfgang Levy, Geschäftsführer UWG

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